Belichtungszeit und Rauschen

Belichtungszeit und Rauschen

Anders als bei Tageslichtfotos auf der Erde wird bei der Astrofotografie eine sehr lange Belichtungszeit benötigt, da nur sehr wenige Photonen von den Objekten auf die Erde gelangen.

Hierzu folgt eine Betrachtung (Link), wie viele Photonen auf der Erdoberfläche bzw. dem Teleskop auftreffen.

Prinzipiell kann festgehalten werden, dass immer eine lange Gesamtbelichtungszeit anzustreben ist. Vor allem bei lichtschwachen Objekten sollten mehrere Stunden Belichtungszeit erreicht werden. Teilweise werden manche Objekte sogar über mehrere Nächte belichtet. Da es kaum realisierbar und auch nachteilig ist, ein einziges Foto über die ganze Nacht zu belichten, werden mehrere Einzelfotos erzeugt, die anschließend mit einer geeigneten Software übereinandergelegt/aufaddiert (gestackt) werden. Es können in einer Nacht wenige Fotos mit einer langen Einzelbelichtungszeit oder auch sehr viele Fotos mit kurzen Einzelbelichtungszeiten aufgenommen werden. Beide Vorgehensweisen haben Vor- und Nachteile. Damit die Software ein gutes Ergebnis erzielen kann, sollte aber mindestens eine zweistellige Anzahl von Einzelbildern vorliegen.

Jedes Photon, das auf einen Pixel trifft, löst ein Elektron aus dem Silizium eines Pixels heraus. Die Elektronen werden während einer einzelnen Aufnahme gesammelt und im jeweiligen Pixelspeicher abgelegt. Nach Abschluss der Einzelaufnahme stellt die Füllmenge dieses Speichers das Signal des einzelnen Pixels dar. Über den gesammelten Elektronen liegt eine Spannung am Speicher an, die über einen Verstärker (ISO/Gain) erhöht werden kann, und über einen Analog Digital Converter (ADC) in eine digitale Zahl (ADU – Analog-Digital-Unit) als Wert für die Helligkeit ausgegeben wird. Es entstehen so verschiedene Graustufen (auch bei Farbkameras), durch die auf diese Weise der Dynamikbereich des Bildes definiert ist. Bei einer Farbkamera liegt oberhalb des Chips eine sogenannte Bayer-Matrix, ein Farbfilter, der für jeden Pixel entweder nur grün, rot oder blau durchlässt. Dem digitalen Wert wird erst anschließend die entsprechende Farbe zugeordnet.

Je nachdem wieviel Bit der ADC einer Kamera hat, sind dieser Speicher und die damit ausgegebenen Signalwerte (und somit auch der Dynamikumfang – Anzahl der Graustufen) unterschiedlich groß.

Datentiefe des KamerachipsWertebereich für ausgegebenes Signal (ADU) hinter dem ADC (Anzahl der Graustufen)https://www.youtube.com/watch?v=M2upgShXNO0
8-bit0…255
10-bit0…1023
12-bit0…4095
14-bit0…16385
16-bit0…65535

 

Jedes Pixel kann nur eine bestimmte Anzahl an Ladungsträgern erzeugen, bis der Speicher voll ist (full well capacity).
Doch gibt es für den Speicher zwei Grenzen (Quelle: https://www.baumer.com/):

    • Absolute Empfindlichkeitsschwelle – beschreibt die kleinste Anzahl Photonen, bei denen die Kamera Nutzinformationen im Bild von Rauschen unterscheiden kann
    • Sättigungskapazität – um Nichtlinearitäten zu vermeiden, wird ein Wert vom Hersteller definiert, der typischerweise kleiner als die full well capacity ist. Die oberste Speichergrenze wird nicht erreicht

 

Der Bereich zwischen diesen Grenzen wird bei der Auswertung dann auf die Datentiefe (Bit-Werte des ADC) skaliert.
Erreicht während einer Einzelaufnahme der Speicher die Sättigungskapazität, können keine weiteren Informationen zu dem Objekt gesammelt werden, und es ist zum sogenannten Ausbrennen des Pixels (Überbelichtung) gekommen. Dies ist bei Sternen nicht ganz so schlimm, betrifft es aber das komplette Objekt, gehen Details verloren (der Dynamikbereich nimmt ab).
Bei den lichtschwachen Astroaufnahmen tritt durch physikalische Effekte immer ein Rauschen auf.

Hauptziel ist es daher, ein gutes Signal-Rausch-Verhältnis (SNR) zu erhalten.

 

Beeinflussende Rauscharten

(Hintergrundwissen durch Astrophotocast von Frank Sackenheim:
https://www.youtube.com/watch?v=xUzk9V2NZBY,
https://www.youtube.com/watch?v=4YTwz5DAddQ
sowie
http://dslr-astrophotography.com/long-exposures-multiple-shorter-exposures/)

 

Photonenrauschen RP

Während einer Aufnahme und den darauffolgenden Aufnahmen einer Aufnahmeserie wird nicht jedes Pixel von der gleichen Anzahl an Photonen getroffen. Es liegt in der Natur des Lichts, dass ein Pixel von mehr oder weniger Photonen getroffen wird, als das danebenliegende Pixel. Bei der nächsten Aufnahme könnte es umgekehrt sein. Zusätzlich ist jedes Pixel auch noch unterschiedlich lichtempfindlich (Quanteneffizienz). So ergeben sich in einer Einzelaufnahme in Abhängigkeit der Einzelbelichtungszeit t für benachbarte Pixel unterschiedliche Objektsignale SP, obwohl das Objekt an dieser Stelle vielleicht gar keine Unterschiede aufweist.
Die Standardabweichung der Photonenanzahl vom erwarteten Mittelwert der je Pixel auftreffenden Photonen ist ein Maß für die Streuung um diesen Wert und wird als Photonenrauschen (auch Shot-Noise) bezeichnet. Das Photonenrauschen RP ergibt sich dabei aus:

Diese Helligkeitsunterschiede zwischen den Pixeln werden besonders deutlich, wenn wie bei der Astrofotografie wenige Photonen auf den Chip gelangen.

 

Hintergrundrauschen RH durch Himmelsleuchten SH

Das Himmelsleuchten (Mondlicht, Lichtverschmutzung, reflektierender Staub…) ist ein zusätzliches Signal, dass zu dem Objektsignal hinzukommt und genauso ein Rauschen erzeugt wie beim Photonenrauschen. Das ungewünschte Signal SH kann zwar über Software rausgerechnet werden, doch da hier der Mittelwert des Signals verwendet wird, bleibt das Rauschen RH für jedes Pixel vorhanden und berechnet sich wieder während der Dauer der Einzelbelichtungszeit t aus der Formel.

 

Dunkelstromrauschen RD

Durch thermische Effekte koppeln auch bei geschlossener Kamera ab und zu Elektronen aus dem Siliziumchip aus und erzeugen während der Dauer der Einzelbelichtungszeit t ein Signal SD. Der für dieses Signal verantwortliche Dunkelstrom variiert durch verschiedene physikalische Effekte. Diese Abweichung vom mittleren Dunkelstrom ist das Dunkelstromrauschen RD und berechnet sich wiederum mit der Formel der Standardabweichung.

Durch aufgenommene Dunkelbilder (Dark-Frames) kann das fehlerhafte Signal abgezogen werden, doch bleibt auch hier das Rauschen wieder übrig. Um das Dunkelstromsignal auf Grund der thermischen Effekte und damit das Dunkelstromrauschen möglichst gering zu halten, werden die Chips der Astrokameras mit Peltier-Elementen heruntergekühlt.

 

Ausleserauschen

Durch physikalische Prozesse kommt es hin und wieder zu zufälligen Fehlern beim Auslesen und Umwandeln der Elektronen aus dem Pixelspeicher. Diese Abweichungen des statistischen Mittels vom Auslesestrom (dem Nutzsignal SN) wird als Ausleserauschen RA bezeichnet und tritt einmalig bei jedem Einzelbild unvermeidbar auf. Besonders bei kurz belichteten Einzelbildaufnahmen wirkt sich das Ausleserauschen stark aus.

Da sich Rauschwerte sowohl oberhalb als auch unterhalb eines Erwartungswertes befinden, können die vier Rauschanteile nicht einfach addiert werden. Erst durch Quadrieren der Rauschwerte und anschließendes Wurzelziehen, kann das Gesamtrauschen des Bildes ermittelt werden. Durch dieses Quadrieren kommt noch der Effekt dazu, dass größere Rauschwerte noch dominanter sind und kleinere Rauschwerte im Vergleich dazu so klein sind, dass sie vernachlässigt werden können.

Bei den reinen Signalwerten kann eine einfache Addition herangezogen werden. Alle während der Einzelbelichtungszeit t auf den Chip ankommenden Signale ergeben ein Gesamtnutzsignal SN.
Wird alles in die Formel für das Signal-Rausch-Verhältnis eingesetzt, ergibt sich für ein Einzelbild:

Durch das Stacken mit einer Software wird ein gewisse Anzahl Bilder N überlagert. Wird diese Anzahl mit in die Formal einbezogen, muss dies für das Signal und für jeden Rauschwert gleichermaßen geschehen. Es ergibt sich die Formel:

Aus der Formel wird folgendes sichtbar:

    • Das Nutzsignal im Zähler steht im Gegensatz zu den Werten im Nenner nicht unter einer Wurzel → mit Steigender Anzahl Bilder und/oder steigender Anzahl Einzelbelichtungszeit erhöht sich das Signal-Rausch-Verhältnis.
    • Das Ausleserauschen geht quadratisch ein → die Kamera sollte ein möglichst kleines Ausleserauschen haben. (Datenblattangaben der Kamera)
    • Das Ausleserauschen ist ein fester Wert für jedes Einzelbild. → Sehr viele Einzelbilder erhöhen das Gesamtausleserauschen des Endbildes, doch steigt durch viele Einzelbilder auch das Signal.
    • Bei modernen Kameras mit Kühlung ist der Dunkelstrom sehr niedrig im Vergleich zu den anderen Rauschwerten und kann daher meist vernachlässigt werden.
    • Wird das zusätzlich Himmelsleuchten aus dem Nutzsignal im Zähler über die Software abgezogen, muss länger belichtet werden, um das schlechtere Signal-Rausch-Verhältnis wieder zu verbessern.
    • Ein dunkler Himmel erzeugt weniger Hintergrundsignal und erfordert dadurch eine längere Belichtungszeit um das Ausleserauschen vernachlässigen zu können.

Es gilt also einen guten Kompromiss zwischen einer minimalen und einer sehr langen Belichtungszeit in Abhängigkeit vom Himmelsleuchten zu finden, sodass das Ausleserauschen vernachlässigbar ist. Die Belichtungszeit sollte dabei so gewählt werden, dass das durch das Himmelsleuchten erzeugte Signal SH das Bild gerade soweit aufhellt, dass Objektdetails nicht verloren gehen. Die Hintergrundphotonen limitieren also die Belichtungszeit. Es wird dann von hintergrundlimitierten Aufnahmen gesprochen. (Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=xUzk9V2NZBY)

In stadtnahen Gebieten ist das Himmelsleuchten SH sehr stark. Dies macht sich oft schon nach 30 s bis 60 s bemerkbar. Eine Aufnahmesoftware (z.B. N.I.N.A.) kann aufgrund des Himmelsleuchten über Testbilder eine Empfehlung für die Belichtungszeit ausgeben (Link). (Hierbei ist auch das Equipment zu beachten. Wird eine langsame, oder eine schnelle Optik verwendet, oder kommen Schmalbandfilter zum Einsatz, die nur wenig Photonen durchlassen.)

Das Himmelsleuchten SH ist dadurch der dominante Anteil der Rauschwerte in der Formel, und das störende Ausleserauschen kann vernachlässigt werden. Bei sehr dunklem Himmel muss aber schon mehrere Minuten belichtet werden, um das Ausleserauschen verwerfen zu können.

 

Wird eine Farbkamera oder ein RGB-Filtersatz verwendet, sollte die berechnete Belichtungszeit verdreifacht werden. Dies liegt daran, dass über dem Chip einer Farbkamera eine Bayer-Matrix liegt, die für jeden Pixel entweder nur grün, rot oder blau durchlässt. (siehe Menüpunkt ‚Komponenten‘ – ‚Kamera‘ – ‚Farbe oder monochrom‘)

Bei Verwendung von Schmalbandfiltern (12 nm) sollte die Belichtungszeit mit 25 multipliziert werden, bei einem 3 nm-Schmalbandfilter sogar mit 100.
(Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=3RH93UvP358)

Für eine direkte Berechnung der optimalen Belichtungszeit bei gegebener Lichtverschmutzung und dem Ausleserauschen der Kamera gilt folgende Formel:
(Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=3RH93UvP358)

R – Ausleserauschen der Kamera
P – Lichtverschmutzungsrate (durch Himmelsleuchten pro Pixel und Sekunde herausgelöste Elektronen [e/Pixel/s])

C ist hierbei ein Faktor in den einbezogen wird, wie viel prozentuale Abweichung E von einem unvermeidbaren kleinstmöglichen Rauschen noch zugelassen werden soll.

Unter folgendem Link wird eine Beispielberechnung für diese Formel durchgeführt. Hierbei wird die Astrokamera ZWO ASI294MC Pro (gekühlte Farbkamera) verwendet. Als Teleskop wird ein f/6 Refraktor herangezogen.

Als Näherungswert kann an Orten mit mittlerer Lichtverschmutzung und einer Optik, die bei f/5 bis f/6 liegt, für eine CMOS-Farbkamera ohne Schmalbandfilter eine Belichtungszeit von ca. 30 s empfohlen werden, um hintergrundlimitiert zu sein. Da aber auch viele weitere Faktoren eine Rolle spielen, ist dies kein fixer Wert. Es können auch mal Zeiten zwischen 30 s und 300 s getestet werden, zumal längere Belichtungszeiten oft die bessere Wahl sind.

 

VorteileNachteile
Kurze Einzelbelichtungszeiten (z.B. 900 Bilder mit jeweils 20 s Belichtungszeit = 5 h)•   Misslungene Bilder (verwackelt, Satellitenspuren, Flugzeuge, Meteoriten) können aussortiert werden, ohne dass die Gesamtbelichtungszeit in großem Maße abnimmt

•   Geeignet für sehr helle Objekte, so dass die Pixel nicht in Sättigung gehen (ausbrennen)

•   Beim Einnorden entstandene kleine Abweichungen sind nicht so relevant

•   Sehr große Menge an Daten (ein Einzelbild hat je nach Chipgröße mehrere MB)

•   Lange Bearbeitungszeiten beim Stacken

•   Bei Verwendung von Schmalbandfiltern oder sehr schwachen Objekten kommen zu wenige Photonen auf den Chip

•   Bei zu kurzen Belichtungen hat man ein schlechtes Signal-Rausch-Verhältnis

Lange Einzelbelichtungszeiten (z.B. 150 Bilder mit jeweils 120 s Belichtungszeit = 5 h)•   Kleinere Datenmengen

•   Bearbeitungszeiten sind gegenüber dem Vorgehen mit sehr vielen Bildern erheblich kürzer

•   An der Grenze der Hintergrundlimitierung, verbessert sich durch längeren Einzelbelichtungszeiten das Signal-Rausch-Verhältnis

•   Misslungene Bilder (verwackelt, Satellitenspuren, Flugzeuge, Meteoriten) fallen durch das Aussortieren stark ins Gewicht, so dass dem Gesamtbild dann Belichtungszeit fehlt

•   Erst nach einigen Aufnahmen ist zu erkennen, ob das Objekt gut getroffen wurde; dadurch ist aber schon viel Zeit der Nacht vergangen

•   Es muss sehr genau eingenordet werdet

•   Das Himmelsleuchten hat in Stadtnähe einen stärkeren Einfluss und muss beachtet werden